Schweizer Parlamentswahlen 1939
Die Schweizer Parlamentswahlen 1939 fanden am 29. Oktober 1939 statt. Dabei waren alle 187 Mandate des Nationalrats sowie 24 von 43 Mandaten im Ständerat neu zu vergeben. Diese 31. Legislaturperiode dauerte vier Jahre bis Oktober 1943.
Wegen der Mobilmachung infolge des Beginns des Zweiten Weltkriegs waren viele Männer nicht an ihren Wohnorten stationiert. Aus Rücksicht darauf kam es in neun Kantonen zu Stillen Wahlen. Deshalb sind die Resultate nicht gleich zu gewichten wie bei Wahlen in Friedenszeiten.
Grosser Wahlverlierer waren die Sozialdemokraten (SPS). Sie mussten 5 ihrer 50 Sitze abgeben. Vier dieser Sitze gingen alleine an die Féderation socialiste suisse um Léon Nicole, die wegen ihrer Befürwortung des Hitler-Stalin-Pakts aus der SPS ausgeschlossen worden war. Die Deutschschweizer Kommunisten verloren dagegen ihren beiden Sitze. Weitere Verlierer waren die Jungbauern und die Parteien der Frontenbewegung, die nicht einmal zur Wahl antraten. Die Evangelische Volkspartei erreichte ebenfalls keinen Nationalratssitz – das erste und bisher einzige Mal seit Einführung des Proporzwahlrechtes 1919. Die traditionell-bürgerlichen Parteien FDP, KVP, BGB und DP sowie der Landesring konnten je um ein bis zwei Sitze zulegen.[1]
Im Ständerat kam es nur zu unbedeutenden Verschiebungen.
Die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei den Nationalratswahlen 1939 sank stark auf 74,3 %, mit kantonalen Werten zwischen 41,7 % in Obwalden und 89,1 % im Aargau.[2]
Wahlmodus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nationalrat
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Nationalräte werden seit 1919 nach dem Proporzwahlsystem gewählt, d. h. die Sitze werden nach dem Wähleranteil der Parteilisten in den einzelnen Kantonen verteilt und erst innerhalb der Liste gemäss den Personenstimmen. Die Anzahl Sitze pro Kanton werden anhand der Einwohnerzahl bestimmt.
Ausführlicher hierzu: Nationalrat (Schweiz) – Wahlverfahren
Ständerat
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jeder Kanton wählt seit 1848 zwei Vertreter für den Ständerat (ehemalige Halbkantone: einen Vertreter). Die Ständeratswahlen richten sich nach kantonalem Recht. In den meisten Kantonen wurde am 25. Oktober auch die Ständevertretung gewählt. In den Kantonen Appenzell Innerrhoden, Glarus, Nidwalden und Obwalden wählten die Landsgemeinden im Frühjahr die Ständeräte. Die Kantone hatten nicht nur abweichende Wahltermine, sondern auch noch verschieden lange Amtsperioden (1–4 Jahre). In den Kantonen Bern (Novembersession), Freiburg (1 Person in der Maisession, 1 Person in der Novembersession), Neuenburg (gleichentags mit den Nationalratswahlen) und St. Gallen (in der Frühjahrssession) wurden die Ständeräte vom Kantonsparlament gewählt. In allen anderen Kantonen wurden die Ständeräte bei Urnenwahlgängen ermittelt, normalerweise am gleichen Tag wie die Nationalratswahlen. Abweichend davon wählten die Stimmberechtigten in den Kantonen Graubünden (erster Sonntag im März), Tessin (letzter Sonntag im Februar) und Zug (im November).
Ausführlicher hierzu: Ständerat – Wahlverfahren
Resultate Nationalrat
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anmerkungen zu den Wählerzahlen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den Mehrpersonenwahlkreisen hat jeder Wähler so viele Stimmen, wie in seinem Kanton Sitze zu vergeben sind (im Kanton Bern 34, im Kanton Zug 2). Diese Stimmen kann er an beliebige Kandidaten der sich zur Wahl stellenden Listen vergeben (Panaschieren). Eine Stimme für einen Kandidaten ist gleichzeitig eine Stimme für dessen Partei. Hat ein Wähler nicht alle seine Stimmen an Kandidierende vergeben, gehen diese Stimmen als sogenannte „Zusatzstimmen“ an die von ihm gewählte Liste. Wenn der Wähler keine Liste auswählt, sondern einen so genannten „Wahlzettel ohne Parteibezeichnung“ – auch Blankoliste genannt – verwendet, verfallen nicht benutzte Stimmen (sog. Leere Stimmen).
Um zu überkantonal vergleichbaren Ergebnissen zu kommen, muss zuerst die Anzahl fiktiver Wähler pro Kanton und Partei berechnet werden. Und die Summe aller fiktiven Wähler der einzelnen Kantone sind dann die Wähler auf Landesebene (z. B. SP auf 160'377 Wähler gerundet). Ein Aargauer "Wähler" kann aber auch aus 12 Personen bestehen, die nur je einen Kandidaten der betreffenden Partei auf ihrer Liste aufgeführt haben.
Das Bundesamt für Statistik benutzt daher den Begriff "fiktiver Wähler" für den Wähler, da ein effektiver Wähler auch nur ein Teilwähler sein kann. Die Zahl der Wähler entspricht der Anzahl gültiger Wahlzettel. Auf Kantonsebene ist die Summe aller Parteistimmen (Summe der Kandidatenstimmen von Kandidierenden einer Partei plus Zusatzstimmen = leere Felder einer Parteiliste) Berechnungsgrundlage. Beispiel: Partei A erzielt im Kanton X 12000, Partei B 27000 und Partei C 48000 von 87000 Parteistimmen. Die Anzahl gültiger Wahlzettel beträgt 25000. Somit hat Partei A in diesem Kanton 3448,28 (12000:87000 × 25000), Partei B 7758,62 (27000:87000 × 25000) und Partei C 13793,10 (48000:87000 × 25000) fiktive Wähler. Alle drei Parteien zusammen total 25000 Wähler.
Die gewählten Mitglieder des Nationalrats sind im Bundesblatt Nr. 48 vom 29. November 1939 aufgelistet.[3]
Parteien, Wähler, Sitze
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Resultate aus den Kantonen finden sich unter Schweizer Parlamentswahlen 1939/Resultate Nationalratswahlen. In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Luzern, Neuenburg, Schwyz, Solothurn, Tessin, Waadt, Wallis und Zug fanden stille Wahlen statt. Aus diesem Grund geben untenstehende Zahlen ein verzerrtes Bild der Wählerschaft. Der Wähleranteil von Parteien mit Hochburgen in den genannten Kantonen (insb. Katholisch-Konservative und Liberale) wird unterschätzt, derjenige der Parteien, die in den restlichen Kantonen stark waren (BGB, LdU, Jungbaueren), dementsprechend überzeichnet. Die Prozentwerte sind nicht mit vorhergehenden oder nachfolgenden Wahlen vergleichbar.
Partei | Wähler | % | Sitze | (+/-) |
---|---|---|---|---|
Sozialdemokratische Partei | 160'377 | 25,93 % | 45 | −5 |
Freisinnig-Demokratische Partei | 128'163 | 20,72 % | 49 | +1 |
Konservative Volkspartei | 105'018 | 16,98 % | 43 | +1 |
Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei | 91'182 | 14,74 % | 22 | +1 |
Landesring der Unabhängigen | 43'735 | 7,07 % | 9 | +2 |
Jungbauernbewegung | 27'708 | 4,48 % | 3 | −1 |
Demokratische Partei | 16'891 | 2,73 % | 5 | +2 |
Schweizerischer Freiwirtschaftsbund (ZH,BE,BS,BL) | 10'865 | 1,76 % | 1 | +1 |
Liberale Partei der Schweiz | 10'241 | 1,66 % | 6 | ±0 |
Fédération socialiste suisse | 7'998 | 1,29 % | 4 | +4 |
Kommunistische Partei der Schweiz | 7'964 | 1,29 % | 0 | −2 |
Evangelische Volkspartei | 5'726 | 0,93 % | 0 | −1 |
Baselbieter Bauernpartei, Freie Demokraten und Parteilose (BL) | 2'216 | 0,36 % | 0 | ±0 |
Aktionskomitee für die Brechung der Zinsknechtschaft (BL) | 65 | 0,01 % | 0 | ±0 |
Vereinzelte Stimmen in Einerwahlkreisen | 384 | 0,06 % | 0 | ±0 |
Total | 618'533 | 100 % | 187 | ±0 |
Wähleranteile in den Kantonen (mit mehreren Sitzen)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wählerzahlen, Prozente kleinerer Parteien und Namen der Gewählten unter Schweizer Parlamentswahlen 1939/Resultate Nationalratswahlen. Für die Kantone, in denen stille Wahlen stattfanden, können naturgemäss keine Wähleranteile angegeben werden.
Kanton | SP | FDP | KVP | BGB | LdU | DP V1 | KP/FSS | JB | FWB | LPS | EVP |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Aargau | 33,7 % | 16,3 % | 21,9 % | 14,7 % | 4,4 % | 5,4 % | 3,5 % | ||||
Basel-Landschaft | 27,3 % | 23,8 % | 12,7 % | 12,8 % | 2,3 % | 4,0 % | 16,7 % | ||||
Basel-Stadt | 33,2 % | 13,1 % | 10,3 % | 6,1 % | 14,1 % | 9,3 % | 13,9 % | ||||
Bern | 30,1 % | 15,0 % | 6,0 % | 31,6 % | 3,8 % | 0,6 % | 10,2 % | 2,7 % | |||
Freiburg | 26,6 % | 61,1 % | 12,3 % | ||||||||
Genf | 10,7 % | 32,7 % | 13,8 % | 25,7 % | 17,2 % | ||||||
Glarus | 29,5 % | 27,8 % | 42,6 % | ||||||||
Graubünden | 9,7 % | 17,4 % | 34,0 % | 38,9 % | |||||||
Schaffhausen | 44,0 % | 35,1 % | 20,8 % | ||||||||
St. Gallen | 16,3 % | 26,9 % | 40,0 % | 7,5 % | 4,9 % | 4,5 % | |||||
Thurgau | 27,5 % | 20,5 % | 20,6 % | 23,7 % | 7,8 % | ||||||
Zürich | 31,4 % | 20,6 % | 6,9 % | 13,8 % | 17,4 % | 2,4 % | 2,5 % | 2,7 % | 2,3 % | ||
Schweiz | 25,9 % | 20,7 % | 17,0 % | 14,7 % | 7,1 % | 3,1 % | 2,6 % | 2,1 % | 1,0 % | 3,2 % | 0,9 % |
Sitzverteilung in den Kantonen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wählerzahlen, Prozente kleinerer Parteien und Namen der Gewählten unter Schweizer Parlamentswahlen 1939/Resultate Nationalratswahlen.[4]
Kanton | Total | FDP | SP | KVP | BGB | LdU | LPS | Dem | FSS | JB | FWB | KPS | Front S1 | EVP | AVL S2 | ||||||||||||||
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Aargau | 12 | 2 | 5 | +1 | 3 | 2 | 0 | −1 | |||||||||||||||||||||
Appenzell Ausserrhoden 3 | 2 | 1 | 1 | ||||||||||||||||||||||||||
Appenzell Innerrhoden | 1 | 1 | |||||||||||||||||||||||||||
Basel-Landschaft | 4 | 1 | −1 | 1 | −1 | 1 | +1 | 1 | +1 | ||||||||||||||||||||
Basel-Stadt | 7 | 1 | 2 | −1 | 1 | 2 | +2 | 1 | 0 | −1 | |||||||||||||||||||
Bern | 31 | 5 | +1 | 10 | −1 | 2 | +1 | 10 | −1 | 1 | 3 | ||||||||||||||||||
Freiburg | 7 | 2 | 4 | −1 | 1 | +1 | |||||||||||||||||||||||
Genf | 8 | 3 | +1 | 1 | −2 | 1 | 1 | 2 | +2 | 0 | −1 | ||||||||||||||||||
Glarus | 2 | 1 | S41 | ||||||||||||||||||||||||||
Graubünden | 6 | 1 | 2 | −1 | 3 | +1 | |||||||||||||||||||||||
Luzern S3 | 9 | 3 | 1 | 5 | |||||||||||||||||||||||||
Neuenburg S3 | 6 | 2 | 3 | 1 | |||||||||||||||||||||||||
Nidwalden | 1 | 1 | |||||||||||||||||||||||||||
Obwalden | 1 | 1 | |||||||||||||||||||||||||||
Schaffhausen | 2 | 1 | 1 | ||||||||||||||||||||||||||
Schwyz S3 | 3 | 1 | 2 | ||||||||||||||||||||||||||
Solothurn S3 | 7 | 3 | 2 | 2 | |||||||||||||||||||||||||
St. Gallen | 13 | 4 | 2 | 6 | +1 | 1 | 0 | −1 | |||||||||||||||||||||
Tessin S3 | 7 | 2 | S5−1 | 1 | 3 | 1 | S5+1 | ||||||||||||||||||||||
Thurgau | 6 | 1 | 2 | 1 | 2 | ||||||||||||||||||||||||
Uri | 1 | 1 | |||||||||||||||||||||||||||
Waadt S3 | 15 | 6 | 2 | −2 | 2 | 3 | 2 | +2 | |||||||||||||||||||||
Wallis S3 | 6 | 1 | 1 | 4 | |||||||||||||||||||||||||
Zug S3 | 2 | 1 | 1 | ||||||||||||||||||||||||||
Zürich | 28 | 6 | +1 | 10 | +1 | 2 | 5 | +1 | 5 | 0 | −1 | 0 | −1 | 0 | −1 | ||||||||||||||
Schweiz | 187 | 49 | +1 | 45 | −5 | 43 | +1 | 22 | +1 | 9 | +2 | 6 | ±0 | 5 | +2 | 4 | +4 | 3 | −1 | 1 | +1 | 0 | −2 | 0 | −2 | 0 | −1 | 0 | −1 |
Ergebnisse der Ständeratswahlen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die gewählten Mitglieder des Ständerats sind im Bundesblatt Nr. 48 vom 29. November 1939 aufgelistet.[6] Der zweite Ständerat des Kantons Zürich wurde erst 1940 gewählt. Den Sitz gewann Hans Bernhard von der BGB.
Sitzverteilung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Partei | Wahlen 1939 | Wahlen 1935 |
---|---|---|
SPS | 3 | 3 |
KVP | 19 | 19 |
LPS | 2 | 2 |
FDP | 14 | 15 |
DP | 2 | 2 |
BGB | 3 | 3 |
Gewählte Ständeräte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fraktionen in der 31. Legislaturperiode
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fraktionen sind Zusammenschlüsse der Abgeordneten einer oder mehrerer Parteien.[7] Untenstehende Tabelle gibt den Stand zu Beginn der Legislaturperiode wieder.
Fraktion | Gesamt | Nationalrat | Ständerat |
---|---|---|---|
Radikal-Demokratische Gruppe (FDP) F1 | 63 | 51 | 14 |
Katholisch-Konservative | 61 | 43 | 18 |
Sozialdemokraten | 48 | 45 | 3 |
Bauern-, Gewerbe und Bürgerfraktion | 26 | 22 | 4 |
unabhängige Fraktion (LdU) | 9 | 9 | 0 |
Liberal-Demokratische Fraktion | 8 | 6 | 2 |
Freie und Demokratische Fraktion (DP, JB) F2 | 6 | 6 | 0 |
ohne Fraktionszugehörigkeit | 8 | 5 | 3 |
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ «Nationalratswahlen: Mandatsverteilung nach Parteien, 1919–2015»
- ↑ Tabelle «Nationalratswahlen: Wahlbeteiligung, 1919–2015»
- ↑ Mitglieder des Nationalrats, Seiten 675–731
- ↑ Nationalratswahlen: Mandatsverteilung nach Parteien und Kanton. Bundesamt für Statistik, 1. Dezember 2015, abgerufen am 4. Mai 2022.
- ↑ Schweizerische Bundesversammlung, Datenbank aller Ratsmitglieder seit 1848, Suche nach «Hans Trümpy»
- ↑ Mitglieder des Ständerats, Seiten 732–734
- ↑ Fraktionen seit 1912